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Mies van der Rohe – Die Collagen aus dem MoMA

Erstellt am: 26.10.2016

Vom 28. Oktober 2016 bis zum 12. Februar 2017 können im Ludwig Forum Aachen eine Vielzahl von zum Teil noch nie in diesem Umfang gezeigten Collagen und Kunstwerken des bedeutenden Architekten Ludwig Mies van der Rohe betrachtet werden.

  • Weltweit erstmals in diesem Umfang zu sehen: rund 50 Collagen,  Fotomontagen und Zeichnungen des bedeutenden Architekten aus dem Museum of Modern Art, New York
  • Kunstwerke der Klassischen Moderne u.a. von Wassily Kandinsky, Paul Klee, Kurt Schwitters, aber auch von zeitgenössischen Künstlern wie Thomas Ruff, Sarah Morris oder Mischa Kuball reflektieren das Schaffen von Mies van der Rohe
  • Zwei international besetzte wissenschaftliche Symposien zur Ausstellung

Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969), einer der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts, schuf zwischen 1910 und 1965 eine Vielzahl von Collagen und Fotomontagen, die auf faszinierende Weise die Gestaltungsprinzipien seiner Architektur verdeutlichen. Diese meist großformatigen Arbeiten sind weit mehr als skizzenhafte Begleiter des architektonischen Entstehungsprozesses: Sie sind eigenständige Kunstwerke, die überwiegend frei von Zweckgebundenheit und praktischen Zwängen die reine Vision Mies van der Rohes zeigen, die Essenz seiner Ideenfindung im abstrakten Raum. Im Kontext moderner und zeitgenössischer Kunst präsentiert die vom Ludwig Forum Aachen konzipierte Ausstellung mit einem umfangreichen Konvolut an Leihgaben aus dem New Yorker Museum of Modern Art erstmalig in diesem Umfang die Collagen und Fotomontagen des in Aachen geborenen Architekten – insgesamt rund 50 Arbeiten. Sie werden begleitet und kommentiert von ausgewählten Werken der Klassischen Moderne und einigen zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern: Thomas Ruff, Sarah Morris, Christian Odzuck, Julia Weißenberg, Iñigo Manglano-Ovalle und Mischa Kuball, die sich in ihren Werken auf Mies van der Rohe beziehen.

Kaum eine bildnerische Technik reflektiert die ästhetischen Prinzipien, den Zeitgeist und das Lebensgefühl der Moderne wie die der Collage bzw. Montage. Der durch Krieg, Revolution und Industrialisierung geprägte Erfahrungs- und Wahrnehmungs­wandel schlägt sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts gleichermaßen in Zeitungen und Magazinen, in den bildenden und darstellenden Künsten nieder. Schon früh kamen Collage und Fotomontage auch in der Architektur zur Anwendung. Unter dem Einfluss von Dada, Konstruktivismus und De Stijl nutzte Mies van der Rohe wie kaum ein anderer Architekt diese neuen Bildtechniken, um seine künstlerischen Ideen zum Neuen Bauen in Wettbewerben, Ausstellungen und Zeitschriften zu visualisieren. Abrupte Blickwechsel, die Freiheit von Perspektive, Ort und Zeit, das Montieren von vorgefundenen Elementen und eine auf verschiedene Materialien konzentrierte Ästhetik, wie sie bei Mies zum Einsatz kommen, stehen in einem historischen Kontext zu Künstlern und Experimentalfilmern wie Georg Grosz, Hannah Höch, John Heartfield, Kurt Schwitters, Theo van Doesburg, Hans Richter und László Moholy-Nagy, um nur einige Protagonisten der künstlerischen Avantgarde zu nennen.

Mies‘ Collagen jetzt weltweit erstmals in großem Umfang zu sehen

Betrachtet man diesen Kontext, ist es umso erstaunlicher, dass sich diesem besonderen Teil des Werkes von Ludwig Mies van der Rohe bisher keine eigene Ausstellung oder Publikation monografisch gewidmet hat. Dabei verdienen die Collagen und Fotomontagen gerade vor dem Hintergrund ihrer engen Verbindung zu den avantgardistischen Techniken und Kunstformen und ihrem Einfluss auf den Architekten eine genauere Betrachtung. Dieses Desiderats nimmt sich das Ludwig Forum Aachen mit der Ausstellung Mies van der Rohe. Die Collagen aus dem MoMA  weltweit erstmals an. Die ausgewählten Werke spielen einerseits eine Rolle als Entwurfsillustrationen für eine potenzielle zukünftige Architektur. Projekte wie Museum For a Small City (1941-43), Concert Hall (1942), Theater (1947) oder Convention Hall (1954) zeigen ideale Räume und sind in der architektonischen wie künstlerischen Ästhetik ihrer Zeit Ausnahmeerscheinungen.

Die Bedeutung der Collagen geht aber weit über eine Begleiter-Rolle des Entwurfs­prozesses hinaus. Gerade weil sie völlig frei, ohne den Zwang architektonischer Funktionalität, mit visionären Raumkonstellationen spielen können, sind sie autonom und gewähren so einen tiefen Einblick in den konzeptionellen und künstlerischen Schaffensprozess. Sie zeigen die ideale Grundidee, aus der sich die Architektur ableitet – meisterhafte concetti des 20. Jahrhunderts.

Mies trifft Wassily Kandinsky und Thomas Ruff

Die Ausstellung spannt ihren zeitlichen Bogen von einem ersten, noch von Ludwig Mies van der Rohe und seinem Bruder Ewald Mies gemeinsam eingereichten Entwurf für das Bismarck-Denkmal am Rhein (1910) über seine visionären Entwürfe für Glashochhäuser (1922) und seine Tätigkeit in den USA ab 1938 bis hin zu seinen späten Werken wie dem Entwurf für die Neue Nationalgalerie in Berlin aus den 1960er Jahren. Die Präsentation der Werke folgt dabei einerseits der Chronologie der Entwürfe und Projekte von Mies, andererseits beleuchtet sie den zeithistorischen und künstlerischen Kontext. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den fließenden Grenzen zwischen bildender Kunst und Architektur: Mies verwendete in vielen Collagen Kunstwerke von befreundeten oder sehr geschätzten Künstlern, deren Werke er selbst sammelte und die im Kontext seiner Ästhetik für ihn offenbar eine besondere Bedeutung hatten. Dazu gehören etwa Paul Klee oder Wassily Kandinsky, von denen ausgewählte Werke in der Ausstellung gezeigt werden.

Besonders beeindruckend ist Mies‘ freier Umgang mit Ölgemälden oder Aquarellen kleiner oder mittlerer Größe, deren Reproduktionen er teilweise zu geradezu monumentaler Größe aufbläst, dreht, spiegelt und in meist nur kleinen Ausschnitten in seinen Collagen verwendet. Im Zusammenspiel dieser Zitate mit realen Materialien wie Holzfurnier, Stoff oder auch Glas und Fotografien entsteht ein spannungsvolles Verhältnis zur architektonischen Zeichnung, das zugleich den Aufbau einer überzeugenden Darstellung strukturierter Räumlichkeit unterstützt.

Die enge Verbindung zu den damaligen zeitgenössischen Künstlern dient als Legitimation dafür, Mies‘ Fotomontagen und Collagen ausgewählten Werken von sechs heutigen zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern gegenüberzustellen, die sich über viele Jahre hinweg intensiv mit dem Schaffen des Architekten auseinander­gesetzt haben. Diese Arbeiten, z.B. von Thomas Ruff, Mischa Kuball oder Julia Weißenberg, können dazu beitragen, Mies neu zu sehen und seine vermeintlich bekannte Architektur zu reflektieren.

 

Thomas Ruff hat zahlreiche von Mies’ Bauten fotografiert und sie in der Postproduktion mehr oder weniger stark verändert, um den gewohnten Blick auf die Werke des Architekten, die der Betrachter nur allzu gut von klischeehaft reproduzierten Standardansichten zu kennen glaubt, zu hinterfragen und zu verändern. Eine seiner Strategien: Durch Spiegelungen, Doppelbelichtungen, Einfärbungen, palimpsestartige Überlagerungen und schließlich die Rasterung eine schnelle, ‚unkomplizierte‘ und mithin oberflächliche Betrachtung wenn schon nicht unmöglich zu machen, so doch zu erschweren.

Globale Monotonie: Der International Style und seine Folgen

Mischa Kuball, der eigens für die Aachener Ausstellung zwei Medienkunst-Installationen konzipiert hat, geht Mies und seine Architektur grundsätzlicher an. In global window thematisiert er die architektonische Monotonie und Uniformität in den Metropolen der Welt – als ein Ergebnis des International Style, zu dessen Hauptprotagonisten Mies zählt und dessen Architektursprache in ihrer minimalistisch-funktionalen Ausprägung bis heute weltweit von Relevanz ist, für zahlreiche Architekten gar kanonisch. Gerade weil sie sich einzig ihrem formal-ästhetischen Anspruch verpflichtet fühlt, hat diese Architektursprache schon frühzeitig zu einer Globalisierung der Architektur beigetragen, die in ihrer spezifischen Ausprägung auf regionale oder länderspezifische Belange, Bedürfnisse oder Materialien oft wenig Rücksicht nimmt.

Mies van der Rohes Collagen sind Inkunabeln der Kunst und der Architektur des 20. Jahrhunderts. Die Ausstellung hat daher das Potenzial, sowohl in der zeitgenössischen bildenden Kunst als auch der Architektur auf großes Interesse zu stoßen. Zwei international besetzte Symposien bieten die Möglichkeit, die Bedeutung der Collage in der Architektur und der Kunst der Moderne – insbesondere bei Mies van der Rohe – in den Blick zu nehmen und einen Bogen zur zeitgenössischen Architektur und bildenden Kunst zu schlagen. Doch die internationale Bedeutung Ludwig Mies van der Rohes für die Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts mit seinen Lebensstationen Aachen, Berlin, Dessau und Chicago bürgt auch weit über Fachkreise hinaus für eine breite Aufmerksamkeit.

Die Ausstellung findet in Kooperation mit dem Museum Georg Schäfer in Schweinfurt statt, für das Mies Anfang der 1960er Jahre einen Neubau geplant hat, der jedoch nie realisiert worden ist. Dort ist die Ausstellung vom 26. Februar bis 28. Mai 2017 zu sehen.

Kuratoren

Andreas Beitin und Holger Otten

Projektleitung und kuratorische Assistenz

Lena Büchel und Anna Pickel

Unter der Schirmherrschaft von Barbara Hendricks, Bundesministerin  für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Fakten

  • Die Schau zeigt auf 600 Quadratmetern Ausstellungsfläche rund 50, meist großformatige Fotomontagen und Collagen des Architekten Ludwig Mies van der Rohe – weltweit erstmals in diesem Umfang zu sehen.
  • Hinzu kommen rund 40 moderne und zeitgenössische Werke, die die Collagen und Fotomontagen von Mies van der Rohe kontextualisieren bzw. aktualisieren. Raum für Raum werden biografisch, chronologisch und werkbezogen die Strategien, Innovationen und Formulierungen des Architekten über mehr als ein halbes Jahrhundert entfaltet.
  • An markanten Stellen treten die Arbeiten in Korrespondenz zu einzelnen ausgewählten Werken von Künstlern, die in unmittelbarem Bezug zu den Collagen stehen oder aus der privaten Sammlung des Architekten stammen. Dabei wird auch den Medien Film und Fotografie Platz eingeräumt. So wird eine Gegenüberstellung mit Werken von Künstlern geboten, auf die in den Collagen Bezug genommen wird oder die als Impulsgeber fungiert haben. Mit dabei: Wassily Kandinsky, El Lissitzky, Paul Klee, Wilhelm Lehmbruck, Hannah Höch, Kurt Schwitters, László Moholy-Nagy, Theo van Doesburg, Alexander Rodtschenko, Hans Richter, Viking Eggeling, Alfred Stieglitz.
  • En passant sind Werke zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler in die Ausstellung eingeschleust, die sich unmittelbar mit Mies’ Schaffen auseinandersetzen: Thomas Ruff, Mischa Kuball, Sarah Morris, Julia Weißenberg, Christian Odzuck und Iñigo Manglano-Ovalle.

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